Gorillas im Nebel

Ich will gar nicht nachschauen um wie viele Monate sich dieser Beitrag verspätet hat, aber was lange währt wird endlich gut.

Kreuz und quer durch Uganda ging die Reise mit wenigen Highlights und vielen Lowlights, aber der Ausblick auf die Begegnung mit den Gorillas hält uns bei Stange. Gebannt aktualisieren wir am Vorabend minütlich die Wettervorhersage, denn bei Regen ist der Aufstieg zu den Berggorillas unmöglich, genauso wie ein Verschieben der Tour. Und was sagt die Wettervorhersage: Regen. Vor wenigen Tagen hatte es hier sintflutartige Regenfälle und Überschwemmungen gegeben, aber zum Glück werden die Regenfälle seitdem seltener und kürzer. Das lässt hoffen.

Mitten in der Nacht klingelt der Wecker. Schlaftrunken geht es zu einem schnellen Frühstück und dann auf zur Fahrt in die Berge. In der Nacht hatte es geregnet, der Boden ist feucht und durchweicht, aber aktuell regnet es nicht. Nur der Nebel hängt tief und dicht und versperrt die Sicht, aber je höher wir kommen desto mehr bessert sich auch dies.

Nebel im Regenwald in Uganda.
Nebel im Regenwald in Uganda. (c) by Jörg Neidig. All rights reserved.

Vor Ort beginnt die Einweisung. Wir werden gewarnt, der Aufstieg sei schwierig und gefährlich. Wer sich verletzt oder den Aufstieg aus anderen Gründen nicht fortsetzen könnte, muss auf eigene Kosten zu Fuß von Trägern geborgen werden: Eine Bahre mit 4 Trägern, genannt „African Helicopter“ koste 500 Dollar. Aber nicht die Kosten schocken uns, sondern die Gefahr eventuell keine Gorillas sehen zu können, denn eine Garantie gebe es nicht. Sobald ein Gorilla gesichtet würden, liefe außerdem die Uhr und nach einer Stunde müsse zum Schutz der Tiere die Safari beendet werden (unabhängig davon wie viele Tiere man zu Gesicht bekäme). Dann werden wir auf Kleingruppen á 8 Personen aufgeteilt und wir haben die Möglichkeit „Träger zu mieten“. Wir fühlen uns in unserer Gruppe alle etwas unwohl einen Träger zu mieten, mit den Bildern von alten herrschaftlichen Kolonisten im Hinterkopf. Doch unser Guide empfiehlt uns dies dringendst. Die Entscheidung einen von den jungen Kerlen zu engagieren war schlussendlich Gold wert. Nicht nur dass er Rucksack und Kameraausrüstung schleppte, er war auch eine unverzichtbare Hilfe beim Aufstieg.

Denn der Aufstieg und die Suche nach den Gorillas ist die Hölle. Man sagt viel zu häufig, dass eine Aktion einen an die Grenzen gebracht hätte, aber dieser Aufstieg ist absolut und wortwörtlich grenzwertig. Quer durch den Dschungel, durch das mit der Machete geschlagene Dickicht. Auf rutschigem, schlammigen Boden stets bemüht das Gleichgewicht zu halten, geht es steil den Berg hinauf. Manchmal auf allen Vieren, manchmal mehr kletternd als laufend geht es kräftezehrend und ohne Pause immer weiter. Manchmal rettet mich nur ein schneller Griff meines Trägers vorm Absturz. Und Absturz hieße in vielen Fällen die Bergkante steil mehrere hundert Meter in die Tiefe. Wir keuchen, wir schwitzen und bald hat niemand mehr die Energie auch nur ein Wort zu sprechen. Aber keiner von uns will aufgeben. Dafür sind wir einfach zu weit gekommen und wer weiß ob es jemals in unserem Leben eine zweite Chance für eine solche Tour geben würde.

Mach ca. 2 Stunden wisperte der Führer das Zauberwort: „Gorilla“. Wir blicken suchend umher und tatsächlich da sitzt er nur wenige Meter von unseren Füßen entfernt im Dickicht und kaut auf Blättern herum. Eine Stunde haben wir nun Zeit die Bweza Gruppe zu beobachten. Leise und langsam machen wir die Kameras bereit und halten diesen atemberaubenden Moment digital fest. Die Anstrengungen sind vergessen. Und dann erscheint ein zweiter und ein dritter Gorilla, davon ein Junges. „Es seien Brüder.“, meinte der Guide. Wir sind alle überrascht, wie nahe wir dem Tier kommen. Wir sind so nahe, wir könnten die Tiere anfassen.

Berggorilla in Uganda
Berggorilla in Uganda. (c) by Jörg Neidig. All rights reserved.
(c) by Burkhard Mielke, https://www.drburkhardmielke.de/. All rights reserved.

Die Tiere sind vollkommen unbeeindruckt von uns. Der jüngste der dreien, freut sich sogar über unseren Besuch, kommt immer näher und will schließlich an dem Bein einer Person unserer Gruppe hochklettern. Das wird unserem Guide dann doch zu gefährlich. Der Guide gibt dem Kleinen einen Klapps mit der Machete, worauf dieser beleidigt den Kletterversuch einstellt. Auch wir weichen ein paar Schritte zurück. Richtig gefährlich war es für uns nicht, sondern vor allem für die Gorillas: Infektionsgefahr. Irgendwann wird den Brüdern dann zu langweilig und sie klettern einen Baum hoch und verschwinden im Gestrüpp. „Die sind bestimmt zum Rest der Familie zurück. Lass uns den Silbernacken suchen.“, meinte der Guide dann.

Junger Gorilla. (c) by Jörg Neidig. All rights reserved.

Zum Glück nur etwa 100 Meter weiter geht die Familie ihren Beschäftigungen nach. Ein Dutzend – vielleicht auch mehr – Gorillas scharen sich um dem Silbernacken, die kleinen Kinder nutzen ihn als Kletterspielzeug und Rutsche, während dieser seelenruhig ein Nickerchen hällt. Das Toben und Treiben ist auch für unseren Guide so sehenswert, dass dieser selbst ein paar Fotos schießt und uns ein paar Minuten länger als vorgesehen zuschauen lässt. Aber irgendwann ist dann auch die großzügig verlängerte Stunde rum und wir müssen uns von den Gorillas verabschieden und den Rückweg antreten.

Silbernacken. (c) by Jörg Neidig. All rights reserved.

Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass der Rückweg einfacher war. Der Aufstieg hatte all unsere Kräfte aufgefressen und so stolpern wir mit zittrigen Knien den Berg herunter. Mehr als einmal kam es zu Beinah-Unfällen, weil niemand von uns die Konzentration oder die Kraft hat, die Füße gezielt voreinander zu setzen, geschweige denn stabilen Halt auf dem schlammigen Berghang zu finden. Aber es war uns in dem Moment egal, da wir vollgepumpt mit Endorphinen und voller Euphorie und Überschwang waren. Wie unglaublich war dieses Erlebnis. Dafür haben sich die Anreise und die eher unterdurchschnittliche Safari mehr als gelohnt.

Zurück im Hotel heißt es erst einmal frisch machen und überlegen, ob die schlammgetränkten Kleidungsstücke noch zu retten seien. Das Hotel hat zum Glück nicht nur einen kompetenten und leidgeprüften Reinigungsdienst, sondern bietet auch „After-Gorilla-Massagen“ an. Das klingt doch mal nach Urlaub.

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