Auf der Suche nach dem Usambara-Veilchen

21.2. – 22.2.2016

Die nächste Station des Urlaubs waren die Usambaraberge und je näher wir unserem Ziel kamen, desto angenehmer wurde des Klima. Wir entflohen der Hitze, der Schwüle und dem Trubel von Städten und begaben uns in eine grüne, ländliche Gegend, die Kornkammer von Tansania. Nicht nur die Gegend wurde immer ländlicher, sondern auch die Straßen wurden immer abenteuerlicher. Wir fuhren durch Feldwege und Gassen, die nur marginal breiter waren als unser Fahrzeug und als wir dachten, dass es wirklich nicht mehr weiter ging, kamen wir am Hotel an. Die Lage des Hotels konnte damit nicht besser sein und bot fantastische Ausblicke. Das Hotel selbst war aber weniger gut. Auch hier hatte Studiosus bereits vorgewarnt und diesmal waren die Warnungen auch angebracht. Die Zimmer waren ungemütlich, nicht gerade sauber, hatten teilweise defekte Lampen und Möbel, verstopfte Abflüsse und so weiter. Die Zimmer waren so trostlos, dass wir diese wirklich nur zum Schlafen betreten wollten und die freie Zeit in der Hotellobby verbrachten.

Nichtsdestotrotz waren die zwei Tage in den Usambarabergen wunderschön, wobei ich gar nicht explizit fassen kann, was uns hier so fasziniert hat. Irgendwie war es wohl das Gesamtpaket aus einer grünen, sprießenden Natur, dem frischen angenehmen Wetter, dass einen wirklich Aufatmen ließ, die freundliche Atmosphäre und dem entspannten Tagesprogramm. Nach den anstrengenden Tagen zuvor hatte ich das Gefühl mich richtig fallen lassen zu können. Das Ganze aber ohne dass es explizite „Erholungstage“ waren, denn die Tage waren angefüllt mit Programmpunkten und weiteren Begegnungen.

Wir machten geführte Wanderungen durch die Berge und das nahe gelegene Dorf, wir bummelten über den quirligen Markt von Lushoto, besuchten ein Waisenheim und machten eine Probe des tansanischen Weins. Die Wanderungen waren sicherlich ein Highlight aber insbesondere zu dem Waisenheim und dem Wein will ich noch ein paar Worte sagen. Im Vorfeld der Reise sowie an jedem Ort an dem wir fragten wurde uns von dem hiesigen Wein abgeraten. So vehement wurde betont, dass er untrinkbar sei, dass sich bei uns so etwas wie eine mystische Stimmung einstellte. Wer weiß, vielleicht gab es den Wein gar nicht (so wie es Bielefeld gar nicht gibt). Schließlich gelang es uns auf Maries Geburtstag und bei der Weinprobe tatsächlich Exemplare zweier tansanischer Meisterwerke zu probieren. Zugegeben, sie waren wirklich nicht gut.

Der Besuch des Waisenhauses war anfangs ähnlich seltsam wie der Besuch der Krankenstation. Da kommen jetzt ein Haufen Weißer daher und machen Fotos von süßen schwarzen Babys. Und weil mir so unwohl bei der Sache war, versuchte ich der Leiterin des Waisenhaus ein Gespräch zu entlocken, um mich über Hintergründe interessiert zu zeigen. aber die Leiterin war ein harter Brocken und meinte nur: „Now show and taking pictures, talk later.“ Damit war die Sache dann klar geregelt. Die Leiterin sorgte erst für ein Fotomotiv nach dem anderen und zeigte uns dabei auch die verschiedenen neuen Einrichtungen des Hauses, danach gab bei Kaffee und Keksen die Hintergründe. Die Hintergründe waren beeindruckend und bedrückend zugleich. Beeindruckend waren die Leistungen der Einrichtung, die hier aus dem Nichts gestampft wurden und wie alles unternommen wird, um Schritt für Schritt unabhängig von Spendengeldern zu werden. Und bedrückend war es, weil sie dennoch erschreckend hilflos sind. (So zumindest war mein Empfinden.) Die Station versteht sich „nur“ als eine Erstauffangsstation, die ausgesetzten Säuglingen ein Überleben sichert. Allerspätestens zwei Jahren muss das Kleinkind aber die Station verlassen und in Pflegefamilien übergeben werden, da sonst die Kapazitäten nicht ausreichen würden.

Picture (c) by Jörg Neidig. All rights reserved
Picture (c) by Jörg Neidig. All rights reserved

Insgesamt muss man sagen: „Alle Achtung, Studiosus, das mit den ‚Begegnungen mit Land und Leute‘ nehmt ihr wirklich ernst“. Ich weiß gar nicht wie ich als selbstorganisierende Privatperson an solche Begegnungen und Gespräche gekommen wäre. Klar, irgendwie ist immer alles möglich. Aber die hautnahe Begegnung mit den Massai, die Besuche von Krankenhaus und Waisenhaus und selbst das Bummeln über Märkte und Dörfer, wäre bei weitem anders verlaufen, wenn nicht immer ein erfahrener Guide dabei gewesen wäre, der die aktuelle Situation gut einschätzen konnte. Mehrfach haben wir mitbekommen (und häufig genug vermutlich auch nicht), wie Sonja eine an sich ungemütliche Situation mit Anwohnern, Polizei oder Zollbeamten durch die richtige Portion Charme, Witz und „Beruhigungsgeld“ entschärfte. Alleine wäre ich sicherlich mehrfach bestohlen, abgezockt, bedroht worden oder hätte einfach mehr als die Hälfte des Urlaubs mit Organisieren und Improvisieren verbracht.

 

 

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